ausgewählte Kritiken:  

Westfalenpost 31.8.66
Gouachen von Dagmar Zepter [Dascha Verne]
im Kunstpavillon Soest


Differenzierte malerische Qualität

...Relativ großformatige Bilder, in Gouache und Mischtechnik ausgeführt, beherrschen den intimen Raum des Pavillons. Man wird sogleich feststellen, dass sämtliche Arbeiten hohe malerische Qualität bei gleichzeitiger Diszipliniertheit im Einsatz der Mittel aufweisen. Ein erträgliches Maß an technischer Versiertheit, nicht Perfektion, läßt dem Betrachter immer noch so viel Raum, dass das Unmittelbare, Unvorstellbare und auch das Fragmentarische in das Erleben mit aufgenommen werden kann...

Das Improvisatorische der beiden ausgestellten Collagen bietet eine besondere malerische Delikatesse an. Der durch Klebeflächen aufgegliederte Grund hat an Anonymität verloren, wird transparent, atmet. Die Farbe sitzt locker auf, gewinnt an Leichtigkeit, wird dem Aquarell gleich. Nicht rein zufällig sind die Farben von hellerem Tonwert, sie leben mehr vom Licht, öffnen sich dem umgebenden Raum...

Eine interessante Ausstellung, die nicht zuletzt durch ihre Geschlossenheit ein eindeutiges Bild von der starken Persönlichkeit dieser jungen Künstlerin vermittelt! Sicher der Beginn einer erfolgreichen Entwicklung ... (-f-)

 

John Anthony Thwaites
Ostern 1975

 

auf den ersten Blick scheinen die Bilder von Dascha Verne voll von Widersprüchen. Fotocollage mit harter Farbe und Gegenständlichkeit wird umringt und aufgelöst in lyrischer Abstraktion. Eine Art Landschaft formt sich, ob Felswand, Bergschlucht oder breite Ebene mit mythologischem Charakter. Doch an Stelle der Götterfiguren erscheint ein banaler Filmstar oder ein Akt aus der Illustrierten. Die Darstellungen von Raum sind innerhalb eines Bildes verschieden: flächig, perspektivisch, informel.
Je länger man jedoch auf ein Blatt schaut, um so mehr wird es zu einer Einheit. Dafür gibt es zwei Gründe. Zunächst diese schlafwandlerische Präzision. Jede Stelle 'sitzt' haargenau und verbindet sich mit der Nachbarschaft in Farbe, Rhythmus, Raum. Eine visuelle Harmonie verdaut jede Verschiedenheit.

Zum zweiten ist die bildnerische Methode rein assoziativ; und das frei assoziieren - wie es die Surrealisten von Freud lernten - ist der direkte Weg ins Unterbewußtsein. Auf dieser Ebene dann setzt die Symbolik ein - wie bei der 'Traumarbeit' ohne Absicht des Träumers (hier der Künstlerin).

Die Welt, die wir durch diese Bilder spüren, geht tief und ist sehr alt. Gestalten des Alltags gewinnen die Kraft von Sagen. Obwohl die Arbeiten nicht groß sind, breiten sie sich in unserer Vorstellung so aus, daß jede zum Wandbild werden könnte. In dieser unprätentiösen Synthese zeigt sich etwas, das man selten bei so jungen Künstlern findet: künstlerische Autorität.

John Anthony Thwaites:
Dascha Verne
WDR III - 25. 4. 1975
(anläßlich der Ausstellung in der Galerie Hof3, Aachen)

s gibt nicht nur underground film sondern - und jetzt häufig - underground art. Als solche würde ich die Bild-Collagen von Dascha Verne bezeichnen, die gerade in der Galerie Hof3 von Thomas Bayer in Aachen hängen.
Diese Künstlerin ist fast zehn Jahre im "Underground" geblieben, nur von wenigen Leuten geschätzt, von Pech verfolgt, dem Galeriepubikum weitgehend unbekannt. Die Kunstwelt ist heute nicht weniger kommerzialisiert als die Welt des Films. Infolgedessen müssen neue Tendenzen als Mode, als Dernier cri lanciert werden, um Händler, Sammler und Museum eine geschäftliche Basis zu bieten.

Dieses Spiel hat Dascha Verne nie mitgespielt. Sie hält keine Spielregel ein, die sie für eine der gängigen Ismen qualifizieren würde. Sie schneidet ihre Fotocollage aus den Illustrierten mit diesen harten, synthetischen Farben. Aber anstatt alles zu einem gut verkäuflichen Neorealismus aufzubauen, löst sie vieles wieder in lyrische Abstraktion auf. Jedoch betreibt sie auch keinen konsequenten Tachismus, um für eine Renaissance des Informel qualifiziert zu sein. Dascha Verne ist eine romantische Künstlerin, zugegeben. Ihre Collagen baut und malt sie oft zu Traumlandschaften auf. Das könnte eine Verbindung zur Nostalgie-Welle bedeuten, zu einem mißverstandenen Caspar David Friedrich oder Böcklin. Doch anstelle der Götterfiguren erscheinen im Höhepunkt Pop-Stars oder ein Akt aus der Illustrierten. Ein Schlag ins Gesicht.

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John Anthony Thwaites:

Dascha Verne

(Auszug aus: Signposts to infinity,
ART NEWS, New York, Sept. 1980)

 
An individualist of another sort is Dascha Verne, whose work is shown in the Atrium of the Neue Galerie (the Ludwig Collection) in Aachen. At first glance, her collage-paintings seems to relate to Abstract Impressionism of the 1950s. The forms are cloudy and rhythmical. Colours tend toward greens, browns and greys, sometimes pure black. Suggestions of landscape are everywhere, but it is the landscape of mountain, rock, and tree, not of human cultivation. Then gradually the collage, which the painting overlays, comes through. Photo-figuration contradicts the painted areas, cancelling out the landscape space. Out of this contradiction - and here is the surprise - emerges visual poetry. A fusion of realities is achieved: abstract and concrete, spatial and superficial, human and natural. And two techniques, painting and collage, colour and structure, are the vehicle.


The 1970s, in Germany at any rate, were an intellectual decade in art. "Concept", "serial", "systems" were the magic words, with neorealism almost the only alternative. Lyricism, personal expression and spontaneity were ruled out, which may explain the relative neglect of Verne. Her Pictures and her relationship to material are based on intuition and emotion (neither pathos or anecdotalism), a breaking down of barriers to the unconscious world by means of a subtile conflict of associations. These pictures unintentionally "make themselves." In this regard, the artist is an heir to the Surrealists.

Georg Müller
Aachener Nachrichten
23.011982 zur Verleihung der Aachner Förderpreises)
 

„Dascha Verne und ihre Kunst entzieht sich mit ungeheurer Konsequenz jedem Stil-Klischee, schottet ihr Werk gegen Kategorien herkömmlicher Kunstbetrachtung ab... Es sind unheile Bilder, entstanden wie unter einem Brennglas, unheile Bilder in einer unheilen Welt.“

 

 


Dascha Verne - Neue Arbeiten
von Jörg Schubert (1995)

 
Die zeitgenössische bildende Kunst läßt viele ihrer Betrachter auch deshalb ratlos zurück, da in geradezu inflationärer Weise begriffliche Stilzuweisungen vorgenommen werden. Der Zweck scheint häufig kein anderer zu sein, als eine Bedeutungsaufwertung zu erreichen, die, so könnte vermutet werden, das je einzelne Werk nicht mehr zu leisten vermag.

Angesichts solcher Spiegelfechtereien besticht das Werk der 1939 geborenen Kölner Künstlerin Dascha Verne zunächst durch eine klare Position, die ihren Ort im kunsthistorischen Kontext dieses Jahrhunderts offenlegt. Ihre Bildwelten entwickeln sich über der Basis der erstmals im Dadaismus umfassend verwendeten Collagetechnik und der informellen Malerei.

  

 Verändert die eine den Blick auf scheinbar hinlänglich bekannte Realitäten, indem Fotos aus Zeitschriften herausgeschnitten und in neuen Kontexten einander zugeordnet werden, so vermag der informelle Malgestus die spontane Komponente des Bildes zu tragen. Der Kalkulation der Collage, die stets einen zumindest auch reflektierten Akt des Auswählens, des Wegnehmens (Schneidens) bis zu einem ganz bestimmten, bewusst gewählten Punkt, und dann der Neuordnung repräsentiert, korrespondiert eine ganz freie, dem Zufall folgende Malerei. So entsteht aus diesen Traditionslinien heraus eine neue Ausdrucksform, ohne dass sie begrifflich aufgewertet werden müßte.

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Michael Zepter


"Die Oberflächen zerreißen
- auf der Suche nach einer anderen Welt"

zur Ausstellung Dascha Verne
Agneskirche 2001
(Text auf Einladungskarte)

 

Wir leben inzwischen - ohne dass uns das immer bewusst ist - in einer Welt simulierter Oberflächen. Was irgendwo auf der Welt real geschieht, aber auch das meiste, was in unserer Nähe, in unserer Stadt sich ereignet, bekommen wir wenig später oder sogar zeitgleich über die unterschiedlichsten Kanäle ins Haus geliefert. Diese bunte Medienwelt nimmt immer mehr die Stelle der Realität ein, sie wird zu einer neuen Wirklichkeit. Wir beginnen, diese neue, vermittelte Wirklichkeit als die eigentliche Welt zu erleben und in der Fülle des Angebotes können wir dabei oft nicht mehr beurteilen, was real und was simuliert oder gar verfälscht ist. Die Medienwelt ist bunt, glatt, glänzend, sensationell und vermittelt uns ein gesteigertes Lebensgefühl - fast so etwas wie sich immer noch steigernde Euphorie.

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, darauf zu reagieren. ' Für die Malerin Dascha Verne bilden die Printmedien, vor allem die Illustrierten, das Ausgangsmaterial. Aber sie übernimmt deren verlockende Angebote nicht vollständig, sondern reißt oder schneidet einzelne Fragmente heraus, macht damit aus dem Bild mit "nur einer Oberfläche" ein Ding, ein Stück Material, das weiter verändert, mit anderem kombiniert, übermalt, aufgeklebt werden kann. So entlarvt sich das Bild als ein hergestelltes Stück Materie.

Immer noch behält es einen Rest seiner ursprünglichen Botschaft. Aber indem die Malerin diesen Realitätsfetzen vorrangig als Farbe und Form verarbeitet, ihn konfrontiert und einbindet in malerische Gesten und farbige Flächen, die in lang andauernden Prozessen immer wieder verändert, aufgerissen, neu zusammengefügt, übermalt, übergossen, abgekratzt werden, entsteht allmählich eine neue Bildwelt, in welcher die Reste der ursprünglichen Medienwelt aufgehoben und damit verändert werden. Neue Assoziationen und Bezüge stellen sich ein. Die neu entstandene Bildwelt Dascha Vernes öffnet sich der Interpretation, sie ist immer nur Angebot, wird nie dogmatisch. Während die Medienwelten sich zynisch absolut setzen (auch wenn nur auf Zeit, so ist der Anspruch doch immer total), zeigen sich die Bildwelten von Dascha Verne als gemachte, als hergestellte. Und gerade dadurch sind sie authentische Spuren von realem Leben und wirklichen Träumen.

 


Sabine Schütz

Rede zur Ausstellungseröffnung Dascha Verne,
"Mythen des Alltags",
in der Galerie Holbein 10 Köln
5.3.2004

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Dascha Verne, lieber Heinz Bossert,

Auf der Einladungskarte zur heutigen Ausstellungseröffnung von Dascha Verne hier in der Galerie Holbein 10 prangt ein knallroter Mund, die Zähne gebleckt und die Zunge provokativ herausgestreckt, daß es sogar Mick Jagger alle Ehre machen würde. Der Mund klemmt in der Armbeuge eines Mannes, dessen Gesicht von einer Pflanze verdeckt wird wie die Köpfe in manchen Bildern von René Magritte. Die Röntgenaufnahme einer Hand verleiht dem surrealen Ensemble einen makabren Zug, kehrt aber auch die humorvoll-witzige Seite hervor, ohne die den Collagen und Papierarbeiten von Dascha Verne eine grundlegende Qualität fehlen würde. Der plötzliche, vom assoziativen Schauen und absichtslosen Experimentieren freigesetzte Sinn dieser Bilder ist einfach nicht vorstellbar ohne eine gehörige Portion Hintersinn, über den die Künstlerin zur Genüge verfügt. Und sind uns der Witz und die immanente Logik bestimmter Bild- oder Bild-Text-Kombinationen einmal aufgegangen, dann locken sie unsere Neugier unweigerlich auf ihre labyrinthische Spur.



Beim Betreten der Galerie sticht dem Besucher sogleich das größte Bild der Ausstellung ins Auge, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Dascha Verne versteht es als eine Art allerdings ganz uneitle - Hommage an ihre eigene künstlerische Arbeit. Zugleich enthält es viele der für ihre Collagen charakteristischen Elemente. Zum Beispiel ihr ausgeprägtes Interesse an den Bildern der Mode- und Werbeindustrie. Auf einem trendigen Werbeposter des italienischen Modehauses Dolce und Gabbana entdeckte sie ein junges Paar von androgyner Erscheinung - und rückte den beiden Schönen kurzerhand mit ihrer Schere zu Leibe. Gar nicht mal unbedingt in mörderischer Absicht, aber doch, um sich deren allzu glattes Äußeres ein wenig nach dem eigenen Geschmack zurechtzustutzen. Denn das Zerschneiden, Zerreißen und Zerstückeln von Bildern, das Herausschneiden zentraler Motive, prinzipiell also ein Blick auf die Welt, der diese seziert und auf wundersame Weise neu wieder zusammenfügt, das ist Dascha Vernes Metier, auf welches sie mit diesem Bild direkt anspielt. Rechts am Rand sehen wir übrigens ein Abbild der Originalschere, mit der sie meistens hantiert, wenn sie eine Collage herstellt. In comicartiger Manier auf ein Vielfaches ihrer eigentlichen Größe aufgeblasen, wird aus der Schere ein monströses Gerät, das nun den Hals der jungen Dame bedroht. Oder doch nur ihre Haare schneiden möchte? Ob bedrohlich oder harmlos, die Schere ist wichtigstes Requisit und zugleich einprägsames Symbol dieser mit reicher assoziativer Begabung ausgestatteten Künstlerin. Mehr als ihr halbes Leben lang arbeitet Dascha Verne mit ihrem ureigensten Verfahren der Collage, die sie seit jeher durch eine Vielzahl anderer künstlerischer Techniken ergänzt, begleitet und kombiniert.

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